Im Folgenden geben wir einen Einblick in die Projektstruktur unser Forschung und stellen das interdisziplinäre Team vor.

Drei Jahre lang wird das interdisziplinäre Forschungsprojekt „Die Obsolete Stadt“ untersuchen, welche Flächen das Risiko haben, obsolet zu werden und welche Anpassungsmaßnahmen geeignet sind. 

Dazu geht das Team aus Deutschland und Österreich in verschiedene wachsende Großstädte Deutschlands und entwickelt in Zusammenarbeit mit lokalen Akteuren positive, nachhaltige Transformationsansätze.

Deutschlands Großstädte befinden sich aktuell in einem enormen Umbruch: Ausgelöst durch Megatrends wie Digitalisierung, Mobilitätswende oder Religionswandel, aber auch durch disruptive Ereignisse wie die Corona-Pandemie, steigt das Risiko für viele Flächen und Gebäude, in Zukunft obsolet zu werden. Leerstand, hohe Kosten und weitere negative Wirkung für die Eigentümer*innen und die Kommunen können die Folge sein. Gleichzeitig bieten diese Flächen große Potentiale für die Innenentwicklung der deutschen Großstädte. Die Krise der Obsoleszenz ist eine Chance für neue, nachhaltige und innovative Stadtplanungs- und Stadtentwicklungsansätze.

Aktuell fehlen den Kommunen Grundstücke, insbesondere für die Umsetzung von bezahlbarem Wohnraum, aber auch für die soziale und technische Infrastruktur der wachsenden Stadtgesellschaften sowie klimaregulierende Funktionen. Dazu sind die wenigen, in öffentlicher Hand verbliebenen Grundstücke heute großen Nutzungskonkurrenzen ausgesetzt und inzwischen Projektionsfläche für eine Vielzahl an Ideen und Zukunftsträumen. Die Preise für Grundstücke in privater Hand steigen auf Grund des Nachfrageüberhangs weiter und sind für eine Rekommunalisierung in der Regel zu teuer. Flächenressourcen zur Sicherstellung der Nachhaltigkeitsziele stehen nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Das politische Projekt der Innenentwicklung und die Reduzierung der täglichen Flächeninanspruchnahme an Siedlungs- und Verkehrsfläche auf 30 ha pro Tag (30-ha-Ziel) stehen damit in Frage. Im Zusammenspiel kommt es auf Seiten der Bürger*innen zu Ängsten in Bezug auf die eigene Wohnsituation und zu einem allgemeinen Gefühl des Ausgesetztseins gegenüber den Dynamiken der Stadtentwicklung und damit verbunden Politikverdrossenheit.

Damit Innenentwicklung gelingt und dies nicht einseitig zu Lasten der Umwelt geschieht, müssen neue umsetzungsorientierte Ansätze entwickelt werden. So werden bisher nicht verfügbare Flächen mobilisiert – und damit Spekulationen mit den Bestandsflächen eingedämmt.

Ausgangspunkt des zur Diskussion gestellten Ansatzes ist die Beobachtung, dass Stadträume – wenn sich gesamtgesellschaftliche Rahmenbedingungen verändern – aus der Nutzung fallen können. Ursprünglich wurden diese von Stadtgesellschaften mit großem Aufwand errichtet, u.a. mit der Funktion der Ver- und Entsorgung, der Produktion, der Mobilität, des Handels oder des Militärs. Anhand von gesellschaftlichen, ökonomischen und technologischen Megatrends, die auf Räume wirken, werden bereits bestehende oder sich perspektivisch abzeichnende Obsoleszenzen in ihren systemischen Zusammenhängen und anhand von Beispielen vorgestellt:

  • Obsoleszenzen durch Wandel der Mobilitätskultur
  • Obsoleszenzen durch Digitalisierung von Arbeit und Handel
  • Obsoleszenzen durch Wandel der Religiosität und religiösen Praktiken
  • Geplante Obsoleszenzen durch Immobilienspekulation

Das Forschungsprojekt zielt auf eine transformative Wirkung in Richtung einer nachhaltigeren Stadtentwicklungspraxis. Mit den genannten, sich perspektivisch abzeichnenden Obsoleszenzen werden konkrete Raumpotentiale bestimmt. Darauf aufbauend werden diese für eine gemeinwohlorientierte, klimagerechte und ko-produktive Stadtentwicklung erschlossen und die Handlungsfähigkeit der Kommunen gestärkt.

Transition Cylce

Innerhalb der ersten Projektphase wurde ein theoretisches Systemwissen aufgebaut. Mit Unterstützung von Expert*innen, wurden die Megatrends Mobilitätswandel, Religionswandel und Digitalisierung von Handel und Arbeit und deren Einflüsse auf Stadträume und Typologien untersucht. In der zweiten Projektphase werden Obsoleszenzen in mehreren Fallstädten identifiziert und kategorisiert.

Die Inventur erfolgt auf räumlicher Ebene über Kartierungen, auf ökonomischer Ebene in Form einer Bewertung von Obsoleszenz-Risiken und Wert- und Schadschöpfung sowie über qualitative Interviews mit relevanten Akteuren.

Auf die Inventur folgt die Phase des Programmierens und Aushandelns. Repräsentative Obsoleszenzen werden als Fallstudien ausgewählt und vertiefend analysiert. Im Rahmen transdisziplinärer Werkstätten werden Anwendungsstudien zu bodenrechtlichen Instrumenten erstellt und Szenarien zur Transformation obsoleter Räume entwickelt. Gemeinsam mit Stakeholdern wird das erarbeitete Transformationswissen im Rahmen eines Planspiels überprüft. Die Fallstudien sollen die Kommunen bei der Identifikation und Transformation perspektivischer Raumpotentiale unterstützen.

Grafik Team Obsolete Stadt

 


 

Stufen der Transdisziplinarität

Für die Entwicklung nachhaltiger Transformationsprozesse arbeitet das Forschungsteam transdisziplinär. Dies beinhaltet eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Akteur*innen aus Praxis und Wissenschaft. Die transdisziplinäre Zusammenarbeit dient dazu praxisnahe und anwendungsorientierte Strategien zu entwickeln – gemeinsam mit Ansprechpartner*innen aus Verwaltung, Politik und Zivilgesellschaft. Die Grafik zeigt, wie die Intensität der transdisziplinären Zusammenarbeit während des Forschungsprojektes kontinuierlich ansteigt: Von der Kooperation mit Expert*innen zu Beginn, um ein fundiertes Systemwissen aufzubauen, bis zum Test erarbeiteter Forschungsergebnisse, gemeinsam mit lokalen Vertreter*innen und relevanten Stakeholdern.

Grafik
Team Obsolete Stadt

Unser Team

Constantin Alexander
Ökonom und Politikwissenschaftler

Leuphana Universität Lüneburg

Anamarija Batista
Kulturwissenschaftlerin und Ökonomin

Akademie der bildenden Künste Wien

Nicolas Beucker
Professor für Public & Social Design

Hochschule Niederrhein

Clemens Brück
Kommunikationsdesigner

Hochschule Niederrhein

Marius Gantert
Dipl.-Ing. Architektur und Städtebauer
Teleinternetcafe Architektur und Urbanismus Berlin/Hamburg

Stefan Rettich (Projektleitung)
Architekt und Professor für Städtebau
Universität Kassel

Anika Schmidt
Sozialgeographin mit Fokus
auf städtischen Räumen
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung

Julia Siedle
Architektin und Städtebauerin

Bergische Universität Wuppertal

Sabine Tastel
Dipl.-Ing. Architektur und Stadtplanerin

Universität Kassel